TW: sexualisierte Gewalt

Weltweit sind mehr als 40 Millionen FINTA-Personen auf der Flucht. Gewalterfahrungen in ihrer Heimat zwingen sie zu fliehen, doch auch während der Flucht und auch am Zielort sind sie besonders vulnerabel und gefährdet, weiteres Leid zu erfahren. FINTA-Personen flüchten oft, aufgrund fehlender finanzieller Mittel und der sozialen Stellung und gefährlichen Fluchtrouten innerhalb der eigenen Landesgrenzen. So wird die Mehrheit der Asylanträge in Deutschland weiterhin von Männern gestellt: 2017 waren es 60 Prozent der Erstanträge auf Asyl. 

Die restriktive deutsche und europäische Migrationspolitik, Abschottung und Ausgrenzung trifft FINTA und Kinder besonders hart und trägt dazu bei, die Situation von FINTA noch weiter zu verschlechtern. Der Mangel an legalen Zugangswegen und Abschiebungen sind für FINTA-Personen daher besonders gefährlich. 

FINTA-Personen auf der Flucht sind stark benachteiligt, doch auch Deutschland, für viele Menschen auf der Flucht, das Zielland, stellt kein Ende der Benachteiligungen für FINTAs dar. 

Eine großes Problem stellt dabei die Anerkennung von Asyl dar, denn 

Fluchtgründe, die besonders FINTA-Personen betreffen, wurden lange nicht als solche anerkannt. Erst 2005 nahm Deutschland genderspezifische und nichtstaatliche Verfolgung als Grund für eine Schutzgewährung auf, doch ist die Umsetzung mangelhaft. 

Diese Form der Verfolgung berührt sehr intime Bereiche des Lebens von Menschen. Sexualisierte Gewalt spielt sich häufig innerhalb der Familie und im häuslichen Bereich ab. Ein Nachweis ist daher schwierig. Geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe umfassen wie u.a. sexualisierte Gewalt, “Ehrenmorde”, häusliche Gewalt, Zwangsheirat, aber das Vorenthalten von grundlegenden Rechten, wie das Recht auf Bildung oder auf Arbeit. 

Praktisch stellen geflüchtete FINTA-Personen zu großen Teilen keine eigenen Asylanträge, wenn sie mit ihrem Ehepartner gemeinsam eingereist sind. Auch bei einer späteren Einreise im Rahmen des Familiennachzuges wird häufig kein eigener Asylantrag gestellt. Das hat zur Folge, dass das Aufenthaltsrecht der FINTA-Person an die Ehe gebunden ist, also FINTA-Personen kein eigenes Aufenthaltsrecht haben, sondern nur durch das Recht ihres Ehepartners. Es besteht dadurch ein Abhängigkeitsverhältnis und kein sicherer Rechtsstatus für FINTA. 

Das darf nicht sein.

Wir, als RLC, fordern daher: eine bessere und flächendeckende Anerkennung von sexualisierter Gewalt als Fluchtgrund und ein eigenes Aufenthaltsrecht für verheiratete FINTAs. 

Eine weiteres großes Problem stellt der Umgang der Behörden dar. 

Die Anhörung, wo es um die Fluchtgründe und Fluchtgeschichte geht, ist das Kernstück des Asylverfahrens und die Basis auf der der Asylantrag beschieden wird. Die Anhörungssituation mit Entscheider:in und Dolmetscher:in ist ein Raum, der geprägt ist von Stress, Druck und Angst. Zeit, Ruhe und einen geschützten Raum für traumatisierte Personen und Erfahrungen gibt es dabei nicht.

Theoretisch hat sich DE zur Umsetzung einer EU-Richtlinie (2013/33) verpflichtet,  besondere Schutzbedarfe im Vorfeld der Anhörung festzustellen, um diese mit zu beachten. Leider ist eine flächendeckende Identifikation besonderer Schutzbedürftigkeit in den meisten Bundesländern nach wie vor nicht Realität. So werden auch traumatisierte Person mit der Anhörungssituation konfrontiert. 

Das kann dazu führen, dass bestimmte Erfahrungen, wie bei geschlechtsspezifischer Verfolgung oder Gewalt schambedingt, aus Angst vor Repressionen, Diskriminierung oder Ablehnung nicht ernst genommen, nicht berichtet oder komplett verschwiegen werden. Besonders geschlechtsspezifische Barrieren bei cis-männlichen Interviewern und Dolmetschern können dazu führen, dass nicht von sexualisierter Gewalt berichtet wird. Betroffene bleiben weiter allein und bekommen womöglich nicht den Schutzstatus zuerkannt, der sie vor Abschiebungen oder weiterer Gewalt schützen würde. 

Es gibt keine ausreichende Sensiblität für die Bedürfnisse, denn das deutsche Verwaltungssystem und Mitarbeitende in der Behörde sind maßgeblich vom Ideal der heteronormativen Familie und Ehe geprägt. Für jegliche Abweichung davon muss sich eine FINTA-Person rechtfertigen, diese beweisen und die Mitarbeitenden regelrecht davon überzeugen. 

Das alles sind Aspekte, mit denen geflüchtete FINTAs im Behördenalltag konfrontiert sind. 

Das darf nicht sein. 

Wir als RLC fordern: eine Behördenpraxis, die mehr auf die Bedürfnisse von geflüchteten FINTA achtet, diese unterstützt mit sicheren Räumen und einer Anhörung ohne Retraumatisierungen.

Ein weiteres großes Problem stellt die Unterbringung dar. 

Deutschland ist durch die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt völkerrechtlich verpflichtet, ALLE in Deutschland lebenden Frauen zu schützen, unabhängig von Nationalität, Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Vor 5 Monaten hat der Kontrollausschuss des Europarats seinen ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul Konvention in Deutschland veröffentlicht. Das Fazit? Es gibt DEUTLICHE MÄNGEL insbesondere im Schutz von geflüchteten Frauen in Deutschland. 

Zum einen: die Unterbringung in Sammelunterkünften mit teilweise mehreren Hundert Personen auf kleinem Raum läuft den Bedürfnissen von Frauen mit Gewalterfahrung und Traumata zuwider. 

Die Unterkünfte bieten keine Schutzräume, teilweise mangelt es an abschließbaren, geschlechtergetrennten Sanitäranlagen. Es gibt keine flächendeckende Umsetzung von einheitlichen Gewaltschutzkonzepten. 

FINTA-Personen haben kaum Zugang zu spezialisierten Unterstützungsdiensten für Erfahrungen mit geschlechtsspezifischer Gewalt. 

Das Ziel und der Standard muss hier sein, FINTA-Personen Sicherheit und Geborgenheit in eigenen Wohnungen zu ermöglichen. 

Das darf nicht sein.

Wir, als RLC, fordern, dass es mehr Schutzräume für Opfer von häuslicher Gewalt geben muss, und diese müssen für betroffene Geflüchtete leichter zugänglich sein. Alle müssen kostenlosen Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe bekommen und dürfen auf keinen Fall durch Wohnsitzauflagen und andere behördliche Maßnahmen am Aufsuchen der Schutzräume gehindert werden.

Zusammenfassend können wir sagen: Deutschland ist kein sicherer Ort für geflüchtete FINTA. 

Das Asylsystem hat viele Schwächen, die kritisiert und offen gelegt werden müssen, doch trifft sie FINTA-Personen besonders hart.  Das macht uns traurig und wütend. 

Wir fordern deshalb mehr Rechtssicherheit, selbstbestimmtes Wohnen und eine umfassende medizinische und psychologische Betreuung. 

Wir fordern, dass Deutschland ein sicherer Ort für geflüchtete FINTAs wird!